Ausstellungszeitraum: 31. Mai – 30. Juni 2022
Ort: Rathaus Wolfsburg, Bürgerhalle
Nicht jeder italienische Arbeitsmigrant, den es in den 1960er Jahren nach Wolfsburg zog, um im Volkswagenwerk anzuheuern, tat dies aus rein beruflichen Gründen. Manch einer war von Neugierde getrieben, suchte das Abenteuer mit seinen engsten Freunden oder wollte schlichtweg seiner Einberufung zum Wehrdienst entgehen. Andere befanden sich längst vor Ort, noch bevor das deutsch-italienische Anwerbeabkommen von 1955 geschlossen wurde. Die Lebenswege – „Percorsi di vita“ – waren weit vielschichtiger, als es der damals gebräuchliche Begriff des „Gastarbeiters“ suggeriert. Ein Italiener, der erst nach dem 1973 erfolgten Anwerbestopp seinen Weg nach Deutschland ging, fügte sich ebenso wenig unter diese Begrifflichkeit wie all die jungen Frauen, die ihren Ehemännern nach Wolfsburg folgten. Und wie stand es erst um ihre Kinder, die teils schon hier geboren, längst in beiden Welten heimisch waren oder aber sich nirgendwo mehr heimisch fühlten? Oder um jene Kinder, die aus den deutsch-italienischen Ehen hervorgegangen sind?
Das Leben in diesen vielfältigen Lebenswegen war fern davon, ein allein von der Arbeit bestimmtes zu sein: Leben hieß für die Italienerinnen und Italiener ein lebendiges Miteinander in Sport- und Kulturvereinen, in der Gewerkschaft, in der Politik zu erproben und Wolfsburg so auch zu ihrer Stadt zu machen. Die zwölf exemplarischen „Percorsi di vita“, die im Mittelpunkt der Ausstellung stehen, werden anhand von Graphic Novels, von unveröffentlichtem Bild- und Filmmaterial sowie von Interviews erzählt. Dass die großen Fragen der Migration, die unsere Gesellschaft bis in unsere Gegenwart hinein prägen, nur über die individuellen Entscheidungen zu verstehen sind, wird über die solchermaßen vor Augen geführte Vielfalt italienischer Lebenswege in Wolfsburg mehr als deutlich.